Es wurde mal wieder Zeit weg zufahren! Am letzten Wochenende
sind wir nach Schulschluss mit unseren Rucksäcken zur MMTStation gefahren. Dort
konnten wir direkt in einen Bus nach Cape Coast steigen, der auch innerhalb von
10 min los fuhr. Perfekt! Wir kamen noch vor der Dunkelheit an und wollten
deshalb mit dem Trotro und nicht mit dem Taxi weiter fahren. Leider kam man von
der Busstation nur mit einem Taxi zur Sudu Junnction, von wo aus die Reise
weiter gehen sollte. Als wir ankamen hatte die Sudu Junction leider schon zu,
der Platz, der normalerweise voller Trotros steht, war leer. Wir versuchten
unser Glück also am Straßenrand, doch die meisten Trotros waren voll oder
meinten sie hätten Feierabend. So etwas hab ich ja noch nie erlebt. Der alte
Mann der neben uns stand sagte, wir kriegen wohl kein Trotro mehr. Wir hielten
ein Taxi an, überredeten den Fahrer uns nach Kosa zu fahren und nahmen den
alten Mann, der auch in diese Richtung musste, gleich mit. Er wollte erst nicht
mit, da er sich kein Drittel der Taxifahrt leisten konnte. Wir haben dann aber
abgemacht, dass er den normalen Trotro-Preis bezahlt und wir den Rest. Die
Fahrt war ganz schön teuer, aber als es plötzlich dunkel wurde, waren wir ganz
froh in einem Taxi zu sitzen.
Im Kosa Beach Resort wartete schon Magda auf uns und wir
haben direkt zu abend gegessen.
Ich hatte einen unglaublich leckeren Salat mit Artischocken,
Oliven, getrockneten Tomaten, frischen Tomaten, Salatblättern und Balsamico
Dressing! Dazu Pommes.
Am nächsten morgen waren wir überrascht von der Schönheit
des Resorts. Es lag direkt am Meer! Man musste keine Stufe mehr gehen, die
Wiese vor dem Restaurant ging direkt in den Strand über. Nach einem Müsli mit
Früchten und einem Tee sind Magda und ich schwimmen gegangen und haben uns
danach gesonnt. Tina ist in der Zeit nach Cape Coast gefahren, um dort Souvenirs zu shoppen und
zum Geldautomaten zu gehen. Mittags habe ich dann einen Strandspaziergang
gemacht, denn wenn man rechts den Strand entlang geht, sieht man bis zum Horizont
keine Stadt und kein Dorf. Ich hab mich auf Felsen gesetzt, an denen die Wellen
hoch spritzen und habe in Wasserlöchern im Felsen Krebse und Fische beobachtet.
Als ich zurück kehrte und mich auf meine Liege legte, kam direkt eine Frau mit
Sohn an. Beide pflanzten sich zu mir auf die Liege. Die Frau war ganz witzig.
Sie hat mich auf Twi zugetextet und meine Beine getätschelt. Dann hat sie meine
Sonnencreme entdeckt und ihre Arme und meine Beine eingesprüht. Ich wollte
eigentlich schlafen oder lesen, aber sie hat mich immer wieder wachgerüttelt,
um mir irgendetwas auf Twi zu erzählen. Ich dachte mir, ich schaue mal wie weit
meine Twi Kenntnisse ausreichen, um eine Konversation mit ihr zu führen. Wir
haben darüber geredet wo ich wohne, wann ich wieder fahre, warum ich ihr kein
Handy und auch kein Matzbier kaufe, warum ich kein Handy mehr benutze, dass sie
keine Sonnencreme braucht mit ihrer dunklen Haut, ich mit meiner hellen aber
schon, weil sonst wird sie rot und tut weh, und dass ich ihr meine Sonnencreme
auch nicht schenke usw. Ich war tatsächlich überrascht, dass ich doch ein bisschen
was verstehe und auch antworten kann.
Nach einer Weile und nachdem ich zum
50sten mal gesagt habe, ich möchte gerne lesen, ist sie dann gegangen.
Nachmittags kam dann Hannah aus Kissi zu Besuch, wir haben Sandwichs
gegessen und Kaffe getrunken und gequatscht. Auch Edith, Hannah deutsche Chefin
war an dem Nachmittag in Kosa. Sie hat uns gesehen und sich dazu gesetzt. Ich
fand es wirklich interessant Edith mal kennen zu lernen, aber vielleicht war es
für Hannah nicht so toll, ihren freien Tag in der Woche mit ihrer Chefin zu
verbringen.
Edith lebt seit vielen Jahren in Ghana und kommt jedes Jahr
auch für ein paar Monate nach Deutschland. Sie hat die Baobab Foundation gegründet
und aufgebaut. Und sie hatte viel zu erzählen, z.B. wie sie Augustina befreit
haben. Augustina ist eine Schülerin der Baobab Schule. Mit 8 Jahren wurde sie
als Hexe beschimpft und für den Tot ihres Vaters verantwortlich gemacht. Sie
hat Epilepsie. Ihre Mutter hat sie einen Holzverschlag vor dem Haus eingesperrt
und nur ihre ältere Schwester, die auch Epilepsie hat, hat ihr ab und an Essen
gebracht. Nach 8 Jahren hat ein Junge, der früher Augustinas Spielkamerad war,
Leute vom Baobab auf diese Familie aufmerksam gemacht. Der ghanaische Manager
ist also zu der Familie gegangen und hat nach Augustina gefragt. Es wurde ihm
erzählt, dass sie schon lang nicht mehr hier lebt, aber er hat Geräusche aus
dem Holzverschlag gehört. Er hat also den Stein vor der Tür entfernt und
hineingeschaut. Augustina hatte viele Knochenbrüche, u.a. am Oberschenkel und
Oberarm, die schief zusammen gewachsen waren. Sie hatte lange verfilzte Haare
und lange Nägel. Sie hatte sich ein Loch gebuddelt indem sie zusammen gerollt
lag. Der Manager hat das Haus verlassen, Edith verständigt, das Radio und das
Fernsehen informiert und kam mit all diesen Leuten zurück. Sie haben Augustina,
die nur noch Haut und Knochen war, in ein Krankenhaus gebracht und dort
behandelt. Danach kam sie für 9 Monate in eine Klinik, in der ihre
Knochenbrüche gerichtet wurden. Heute lebt sie in einer Pflegefamilie vom
Baobab.
Und auch eine andere Baobab Schülerin wurde als Hexe
beschimpft. Als sie nach den Ferien nicht wiederkehrte, hat sich Edith
informiert und herausgefunden, dass Patience eine Hexe sei. Man hat sie in ein
Exorzismus Camp gebracht. Dort hat man ihr so sehr eingeredet, dass sie eine
Hexe sei und das Brotgeschäft der Tante ruiniert habe, dass sie es selbst
glaubte und zugab. In einer Exorzismuszeremonie wurde sie dann von Edith
geholt. Sie setzte sich in die Kirche und schaute sich den „Gottesdienst“ an.
Die Hexe steht dabei in der Mitte und alle Leute laufen um sie herum und beten
und schlagen auf sie ein. In diesem Gottesdienst wurden auch drei kleine
Mädchen zwischen 4 und 8 Jahren beschuldigt die Gebärmutter einer jungen Frau
gestohlen zu haben. Man hat den Mädchen das eingeredet und darauf hin haben sie
es während des „Gottesdienstes“ gestanden.
Vor der Kirche hat Edith Patience abgefangen und nach Kissi
zurück gebracht.
In Ghana gibt es einige von diesem Exorzismuskirchen, man
sieht viele Penticost Church –Schilder, u.a. das sind Kirchen in denen
Exorzismus auf brutale Weise betrieben wird.
Am Abend haben uns Hannah und Edith verlassen, Magda, Tina
und ich haben lecker gegessen und noch den ganzen Abend zusammen gesessen.
Sonntags sind wir sehr früh, um 6 Uhr, aufgestanden, um noch
einmal an den Strand zu gehen. Wir haben gefrühstückt, wurden von einem Taxi
abgeholt und für wenig Geld zur Kosa Junction gefahren worden. Von dort aus
haben wir ein Trotro nach Cape Coast genommen. Im Baobab haben wir Gloria noch
einen Besuch abgestattet und ich hab mir eine wunderschöne Lampe im Baobabshop
gekauft! Um 11.30 Uhr sind wir an der MMTStation gewesen, eine Stunde später
als geplant, und haben den Bus nach Kumasi gerade verpasst. Wir saßen also
wieder einmal in einem leeren Bus und mussten noch eine ganze Weile warten bis
er los fuhr. Trotzdem kamen wir noch im hellen in Kumasi an, sodass wir mit dem
Trotro nach Hause fahren konnten.
Zu Hause habe ich direkt Alberta die Geschichte von
Augustina und Patience erzählt.
Alberta, eine sehr moderne Ghanaerin die Miniröcke trägt und
in Clubs geht, hat mir dann erzählt, dass die beiden ja durchaus Hexen sein könnten.
Es gäbe nämlich Hexen, die nachts über die Häuser fliegen und sich zu ihren
Zeremonien treffen. Aber dafür gibt es die Fetischpriester. Wenn die Hexen über
dem Haus den Fetischpriesters fliegen, dann würden sie abstürtzen und durch
einen Zauber vom Priester zu einem Tier mit Menschenkopf werden. Am nächsten
morgen sehe man dann wer aus der Nachbarschaft eine Hexe, oder ein
Hexenmeister, ist. Sie selbst habe mit 6 Jahren einen halb-Tier-halb-Mensch-
Menschen gesehen.
Außerdem war in ihrer Kirche (Alberta geht auch zu einer
dieser laut schreienden und grölenden Kirchen, bei denen die ganze
Nachbarschaft mit den immer gleichen gegrölten Sätzen beschallt wird) ein Mann,
der während des geschrieenen Gebetes rief, er brenne. Der Priester fragte
wieso? Und der Mann erzählte, dass er Hexenmeister sei und nachts ein Kind
gegessen hätte, um jemanden zu bestrafen. Dieses Kind hat er nicht wirklich
gegessen, erklärte mir Alberta, er habe die Seele gegessen, aber ohne die Seele
kann man nicht leben, deshalb ist das Kind jetzt tot. Auf jeden Fall musste
dann die ganze Gemeinde ewig lang und laut für diesen Mann beten, damit Gott
ihm vergibt, er in den Himmel kommt und nicht mehr Hexenmeister ist.
