Nachts um vier Uhr haben wir uns, wieder zusammen mit den
Holländern, auf den Weg nach Tamale gemacht. Um vier Uhr fährt nämlich der
einzige MMT am Tag vom Mole Park Richtung Tamale. Zunächst waren wir die
einzigen Menschen im Bus und ich habe mich gefreut und dachte vielleicht kann
man sich tatsächlich mal ausbreiten und auf den Sitz legen und schlafen! Ich
bin dann auch schnell eingeschlafen, obwohl ich so sehr gefroren habe, denn
nachts ist es im Norden Ghanas durchaus kalt und außerdem waren alle Fenster im
Bus offen. Als ich kurze Zeit später wieder aufwachte, war der Bus plötzlich
voll und ich musste meine beschlagnahmten drei Plätze leider räumen. Bald schon
waren alle Sitz- und Stehplätze belegt und man saß mal wieder gequetscht wie
eine Flunder. Diese Fahrt war wie die Hinfahrt ein kleines Abenteuer, denn der
rote Staub von den Straßen bließ durch den ganzen Bus. Die Ghanaer hatten sich
ihre Stofftaschentücher um das Gesicht gebunden, sodass sie den ganzen Staub
nicht einatmeten und wir taten es ihnen gleich. Zudem waren wir eh schon sehr
vermummt mit Pulli und Schal um den Kopf, um uns vor der Kälte zu schützen.
Auf halber Strecke musste ich plötzlich ganz dringend mal
pinkeln und wurde von Minute zu Minute verzweifelter. Plötzlich hielten wir in
einem kleinen Dorf um irgendjemanden raus zu lassen und als auch andere
aufstanden um sich kurz zu entledigen, dachte ich mir, nutze ich die Chance.
Ich bin auf die nächst beste Dorffrau zu gerannt und habe gefragt wo ich denn
wohl hinpinkeln könnte. Sie hat mir ein Korbgeflecht gezeigt. Dieses Geflecht
war so etwas wie die Dorftoilette. Es war hüfthoch und in einem Halbkreis
aufgestellt. Der Boden, der von Kot und Urin voll gesogen war, war mit etwas
Stroh bedeckt. Dies war übrigens die Frauentoilette. Ungeschickter Weise war
die Männertoilette, eine ein Meter hohe Mauer, direkt hinter der Öffnung zur
Frauentoilette gebaut worden, sodass jeder der grad gegen die Wand pinkelt, den
entblößten Hintern der Frau im Korbgeflecht bewundern kann.
Das war mir in diesem Moment jedoch egal und nachdem sich
eine Frau ganz dreist vorgedrängelt hat, habe ich die zweite die sich
vordrängeln wollte, zur Seite gedrängt und bin ins Korbgeflecht gehuscht.
In Tamale angekommen, waren unsere Stofftaschentücher Rot,
unsere Kleidung auch und die krausen Haare der Ghanaer erst recht. Auch dort
haben wir, während wir auf den MMT Bus nach Kumasi gewartet haben, eine neue
Art öffentlicher Toilette kennen gelernt. Zuerst hat sich Tina auf die Suche
nach einer Toilette gemacht. Ein junger Mann war ihr netterweise dabei
behilflich. Er hat sie aber leider auf das Toiletklo geführt, was 50 Pesewas
kostet. Während Tina unterwegs war, wurde ich von einem Mann angesprochen. Er
wollte unbedingt mit mir über die Bibel sprechen, hat mich angefahren, warum
ich ihm denn jetzt grad kein Bibelvers zitieren kann und was für ein Mensch
bin. Daraufhin hat er seine Bibel geholt und mir eine Predigt gehalten. Ich
habe ihm mit all meiner Gestik und Mimik versucht klar zu machen, dass ich
darauf gar keine Lust habe. (Man muss bedenken, dass wir gerade auf dem Weg ins
Kloster waren, um einfach mal Abstand von Menschen und Lärm zu bekommen.) Er
hat es wohl verstanden und mir gesagt, ich solle ihm doch bitte einfach sagen,
wenn er gehen soll. Ich sagte also: Gut. Bitte geh! Dass ich das tatsächlich
ausgesprochen habe fand er dann aber so empörend, dass er sich noch zwei
Minuten aufregen musste. Gegangen ist er dann aber trotzdem nicht, sondern hat
einfach nur das Thema gewechselt. Endlich kam Tina wieder und ich konnte mich
auf die Toilettensuche begeben. Ich habe nach Tinas angewidertem
Gesichtsausdruck beschlossen eine andere Toilette, als sie benutzt hat, zu
suchen. Wenn es ein Toiletklo gab, musste es bestimmt auch ein Urinalklo geben.
An dieser Stelle muss ich erklären, dass die Klos für Kot und Urin fast immer getrennt
sind. Das Urinalklo war auch gar nicht schwer zu finden und hat nur 10 Pesewas
gekostet. Diese Öffentliche Toilette war wie ein kleines Haus ohne Dach, dessen
Mauern mir ungefähr bis zu den Schultern reichten. Der Raum war in verschiedene
Kabinen ohne Tür aufgeteilt. Es gibt keinen Toilettensitz und auch kein Loch im
Boden, aber der Boden in den Kabinen ist ganz leicht abgesengt, sodass der Urin
zu einem kleinen Loch in der Wand fließt. Das Toiletklo ist genauso aufgebaut.
Kein Wunder, dass Tinas Blick so angewidert war.
Der Mann, der mir die Predigt gehalten hat, kam uns
zunehmend verrückter vor und daher waren wir auch zunehmend netter und
verständnisvoller mit ihm. Er saß dann auch im Bus nach Kumasi vor uns und hat
uns und alle um uns herum verrückte Dinge erzählt. Nach einer langen Busfahrt
wurden wir in Tano Buase raus gelassen und haben von dort aus ein Taxi nach
Kristo Buase zum Kloster genommen. Zum Kloster fuhr man von der großen Straße
ab und einen endlos lagen Weg durch ein Wäldchen mit Macadamiabäumen. Allein
dieser Weg hat schon eine solche Ruhe ausgestrahlt, dass wir uns tierisch auf
die nächsten Tage im Kloster gefreut haben. Als wir von Bruder Gabriel
empfangen wurden, hat uns dieser leider mitgeteilt, dass nur für eine Nacht
noch Zimmer frei seien und wir morgen das Kloster verlassen müssten. Schade,
aber wir hatten uns ja auch nicht vorher angemeldet, wir hatten keine
Telefonnummer. Den restlichen Nachmittag haben wir auf der Terrasse verbracht,
haben heiße Schokolade getrunken, die man sich selbstständig in der Küche
machen konnte, und haben den Blick auf den Klostergarten genossen. Dieser
Garten ist riesig, verschlungen und wunderschön! Das Kloster liegt mitten in
einer Region, in der verrückt aussehende, riesige Steinfelsen aus dem Boden
ragen. Dazwischen wachsen Mango- und Sternfruchtbäume und die schönsten Blumen.
Der Tagesablauf im Kloster ist sehr streng und um Punkt
18.30 Uhr mussten wir zum Abendessen erscheinen. Wir durften zusammen mit den
Mönchen essen. Die Mahlzeit nimmt man im Schweigen ein, während jemand vorliest
oder Musik gespielt wird. Die Bücher aus denen gelesen wird, sind Bücher die
von der Kolonialzeit berichten, Sachbücher über bestimmte Themen z.B. das
Chanting oder Reiseromane. Vor dem Essen stellt man sich hinter seinen Stuhl
und es wird gebetet. Ebenso nach dem Essen. In den wenigen Minuten dazwischen,
nimmt man sich das Essen aus Schalen, die in der Tischmitte stehen. Der
ranghöchste Mönch darf als erster zugreifen und die Gäste als letzte. Dann
verschlingt man in gefühlten zwei Minuten seine Mahlzeit (ich habe noch nie
Menschen so schnell essen sehen wie diese Mönche!) und sobald der Teller leer
ist, wird er auch schon abgeräumt. Danach haben wir alle zusammen gespühlt. Das Essen im Kloster ist ganz lecker, nur
leider nicht vegetarisch, was ich natürlich niemandem vorwerfen möchte.
An diesem Abend sind wir schon sehr früh auf unsere
Einzellzimmer mit Dusche verschwunden und haben geschlafen, das lag zum einen
an der Erschöpfung von der Reise und zum anderen daran, dass um 19.30 Bettruhe
im Kloster herrscht.
Am nächsten Morgen sind wir schließlich auch früh
aufgestanden, um pünktlich um 6 Uhr beim Morgengebet zu sein. Das Morgengebet
besteht aus einem halbstündigen Chanten. Chanten kannte ich bisher ehrlich
gesagt nur aus den indischen Ashrams, aber auch in der katholischen Kirche wird
es praktiziert. Man liest Bibelverse in einem sich immer wiederholenden
Singsang. Das hörte sich für mich am Anfang irgendwie gruselig an, was wohl an
den ganzen Krimis und Horrorfilmen liegt, die in katholischen Kirchen spielen.
Mit der Zeit habe ich wirklich gefallen am Chanten gefunden.
Um sieben Uhr haben wir an einem einstündigen Gottesdienst
teilgenommen. Danach gab es Frühstück. In den folgenden Stunden haben die
Mönche die Bibel und andere Literatur studiert und sind ihren alltäglichen
Aufgaben, wie z.B. gärtnern, nachgekommen. In dieser Zeit habe ich einen
Spaziergang durch den Garten gemacht, bin auf den bis zu 30 m hohen Felsen
herumgelaufen und habe dort gelesen. Nach dem Mittagessen mussten wir leider
weiter ziehen, denn die neuen Gäste wurden erwartet.