Entschuldigung, dass jetzt erst ein Blog über die Schule
erscheint. In den ersten zwei Monaten wollte ich ungern etwas über die Schule
veröffentlichen, da ich erst einmal Eindrücke sammeln und festigen wollte,
bevor ich etwas behaupte oder etwas erzähle, was lediglich eine Ausnahme
darstellt.
Die Struktur:
Die Garden City Special School für geistig behinderte Kinder
existiert seit 1977 auf dem Grundstück in Mampong, Kumasi. Auf dem Schulgelände
gibt es verschiedene Trakte: zwei Gebäude sind für den Primary Sektor, eines
für den Vocational Sektor. Es gibt ein großes Gebäude, was eine kleine
Turnhalle, das Lehrerzimmer und zwei weitere Räume des Vocational Sektors beinhaltet.
Außerdem gibt es ein Gebäude für die administrativen Arbeiten, ein kleine
Klinik, die Küche, zwei Schlafhäuser und ein rundes Gebäude, was als Essensraum
und Aula dient.
Zu dieser Schule gehen 186 Schüler, 132 Jungen und 54
Mädchen. Die meisten Schüler sind Internatsschüler, es gibt aber auch 27
Kinder, die täglich nach Hause gehen.
Das Alter der Schüler ist weit gefächert, es liegt zwischen
6 und 30 Jahren. Das liegt daran, wie die Schullaufbahn strukturiert ist. Die
Kinder durchlaufen zunächst vier Klassen des Primary Sektors. Nicht jedes Kind
startet die Schule mit sechs Jahren, es gibt sogar manche, die erst mit 13
Jahren eingeschult werden. Diese Kinder starten allerdings trotzdem in der
ersten Klasse. Außerdem wird nicht jedes Kind automatisch jedes Jahr eine
Klasse höher gestuft. Ich unterrichte die vierte Klasse, die genau in dieser
Konstellation letztes Jahr bereits bestand. Die Lehrer entscheiden also, wann
ein Kind eine höhere Klasse besuchen darf.
Wenn sie die vier Klassen im Primary Sektor abgeschlossen
haben, kommen die Kinder oder Jugendlichen in den Vocational Sektor. Hier
lernen sie in sechs Jahren verschiedenste Arbeiten: Bartigen, Schreinern,
Weben, Perlenketten produzieren, Schustern und Kochen. Nach diesen sechs Jahren
absolvieren die mittlerweile Erwachsenen ein praktisches Jahr in einem vorher
erlernten Beruf und kommen nach diesem Jahr noch einmal für einige Zeit an die
Schule zurück. So ist die Theorie, aber leider haben nicht alle Eltern auch
jedes Jahr das Geld ihr Kind zur Schule zu schicken. Sie bezahlen zwar keine
Schulsteuer, aber dafür müssen die Internatsschüler einige Dinge mitbringen,
z.B. die Uniformen, eine Matratze oder eine bestimmte Menge an Seife. Und somit
gibt es einige Schüler, die nur wenige Jahre die Schule besuchen oder immer mal
wieder ein Halbjahr fehlen.
In den ersten Wochen nach den Sommerferien, war nur ein winziger
Bruchteil der Kinder schon anwesend. Auch heute noch sieht man immer wieder
neue Gesichter, Kinder deren Eltern erst jetzt genug Geld auftreiben konnten,
um es zurück zur Schule zu schicken.
Der Ablauf der Woche ist immer gleich: Jeden morgen
versammeln sich die Kinder in ihren Klassen aufgereiht vor den Gebäuden, beten,
singen und marschieren zu Trommelklängen in die Räume. Montags haben wir
zunächst eine Sitzung mit allen Angestellten, in der wir erst beten und jemand
über einen Auszug der Bibel referiert, um dann die neusten Anliegen zu
besprechen. Danach geht es in den Unterricht. Die Stundenverteilung montags,
dienstags und donnerstags sieht folgendermaßen aus: 8.30-10.10 Uhr, Pause,
10.40-11.40 Uhr, Pause (in der es Orangenhälften zu essen gibt), 12.00-13.00
Uhr, Mittagessen bis 13.30 Uhr. Um diese Zeit ist mein Arbeitstag zu ende und
die Kinder gehen einen Mittagsschlaf machen.
Mittwochs ist Sporttag, d.h. nach der allmorgendlichen
Versammlung marschieren die Jungen auf das Fußballfeld und die Mädchen spielen
Ball oder machen Gymnastik. Nicht den ganzen Tag wird Sport getrieben, nur im
ersten Block. Soweit zumindest die Theorie, wir haben in den zwei Monaten, die
wir nun Arbeiten, zwei mal Sport gemacht. Sonst wird Laub gesammelt oder die
Kinder dürfen in der Aula fernsehen. Im zweiten und dritten Block, sitzen die
Kinder eh vorm Fernseher.
Freitags geht der Schultag nur bis 12.30 Uhr. Im ersten
Block wird in der Aula gebetet, gesungen, getrommelt und getanzt. Den
restlichen Tag wird Fernsehen geschaut.
Uniformen:
Hier in Ghana tragen die Kinder Schuluniformen. An unserer
Schule tragen sie braune Hosen / Röcke und gelbe Blusen / Hemden. Außerdem gibt
es eine Sportuniform in grün für Jungen und in rot für Mädchen. Freitags tragen
die Schüler ghanaische Kleider oder Hemden. Die Internatsschüler haben außerdem
ein kartiertes Outfit für die Nachmittage, was sie direkt nach dem Mittagessen
anziehen.
Meine Aufgaben:
Ich unterrichte in der vierten Klasse, in der die Kinder
schätzungsweise zwischen 15 und 20 Jahre alt sind. Die Klasse besteht aus sechs
Kindern, vier Mädchen und zwei Jungen, einem Klassenlehrer Mr. Gyan und einer
Klassenassistentin Gifty. Die Fächer, die es hier gibt sind Sprachentwicklung,
Mathe und „ selbstständiges Leben“. Meist unterrichtet Gifty die Klasse anhand
von Mr. Gyans Notizen zum Unterrichtsablauf, denn er ist ein viel beschäftigter
Mann und muss andauernd zu Gesprächen oder irgendwelche Formulare ausfüllen.
Jeder Lehrer muss diese Notizen anfertigen und wöchentlich der Schulleitung
einreichen, die sie absegnet. Ich unterstütze Gifty, indem ich Kindern, die
nicht mitkommen, unter die Arme greife. Meist wird nur im ersten Block
unterrichtet, danach werden die Kinder vielmehr beschäftigt, sie sollen
entweder Zahlen oder das ABC auf ihre kleinen Tafeln schreiben. Deshalb
übernehme ich im zweiten Block oft den Unterricht und versuche an die vorherige
Stunde anzuknüpfen, entweder spontan oder ich mache Gifty Vorschläge zu Materialien
(Arbeitsblätter oder Lernkarten), was ich dann in der Pause vorbereite. Im
dritten Block, werden die Kinder wieder beschäftigt, indem sie auf ihren Tafeln
schreiben, puzzeln oder Perlen auffädeln. In diesem Block bin ich nicht in der
Klasse, ich gehe jeden Tag mit Gifty, einer Schülerin, in die Turnhalle um
Physiotherapie mit ihr zu machen. Mr. Otu hat mich darin angelernt. Gifty hat
eine Spastik, weshalb sie ihre Hände schlecht öffnen kann, sie ist sehr oft
verkrampft. Während des letzten Jahres konnten allerdings schon deutliche
Erfolge durch die Therapie der rechten Hand erzielt. Sie kann nun alleine
essen, also eine Gabel halten, und Stifte oder Kreide halten. Sie hält
Gegenstände allerdings anders, als man sie sonst hält. Dieses Jahr konzentrieren
wir uns, neben der Therapie der rechten, vor allem auf die linke Hand. Wie
genau die Physiotherapie abläuft werde ich in einem anderen Blog beschreiben.
Neben dem Öffnen der Hand, arbeite ich mit Gifty auch an
ihrer Sprache. Tina, sie ist Logopädin, hat mir gezeigt, wie eine
Sprachtherapie für Gifty aussehen würde und ich versuche nun jeden Tag mit ihr
ihre Übungen zu machen, damit ihre Sprache deutlicher wird. Sie hat nämlich
einen sehr großen Wortschatz, auch auf Englisch, man hat nur Schwierigkeiten sie
zu verstehen. Gifty ist unglaublich motiviert und es macht wirklich super viel
Spaß mit ihr zu arbeiten!
Auch mit Yaw, einem Schüler meiner Klasse, mache ich jeden
Tag Sprachübungen, die Tina uns gezeigt hat, damit er einzelne Laute lernt
auszusprechen. Gerade beim Alphabet hat er Schwierigkeiten, da alle Buchstaben,
die er sagt, sehr ähnlich klingen.
Mit Atta arbeite ich mit bestimmten Arbeitsblättern, die ich
für sie male, daran, dass sie nicht mehr spiegelverkehrt schreibt.
Mit Nana versuche ich seinen Wortschatz im Englischen zu
erweitern. Er schreibt sehr gerne ab und mit Hilfe von Bildkarten, auf denen
auch die Wörter stehen, lernt er neue Worte kennen und lernt auch noch
schreiben. Einige Worte kann er mittlerweile schreiben ohne die Karte zu sehen.
Mittwochs und freitags sitzen Tina und ich nicht mit in der
Aula und schauen fernsehen, sondern wir sind in der Turnhalle und holen Kinder
zur Einzelförderung. Während Tina in ihrer Sprachtherapieecke mit Schülern
arbeitet, mache ich mit Gifty und Yaw die täglichen Übungen in Physio- und
Sprachtherapie, oder mache mit Nana seine Schreibübungen. Außerdem bieten diese
beiden Tage Zeit um auch mit Kindern, die nicht in meiner Klasse sind zu
arbeiten, z.B. mit Ivette. Sie sehe ich zweimal die Woche, um ihre Beine zu
massieren, so wie Mr. Otu es mir gezeigt hat, und mit ihr zu laufen. Als sie
zur Schule kam konnte sie gar nicht gehen, aber mittlerweile kann sie sehr
wackelig kurze Strecken alleine gehen. Für längere Strecken versuchen wir sie
gerade an einen Rollator zu gewöhnen, doch es ist noch sehr schwierig für sie
die Bremsen zu bedienen. Die Arbeit mit Ivette ist recht anstrengend und
mühsam, denn sie ist sehr faul, hat oft weder Lust zu sprechen noch zu laufen
und es erfordert viel Überredungskunst und Geduld, sie dazu zu bewegen
mitzuarbeiten.
Des Weiteren versuche ich einmal die Woche mittwochs oder
freitags mit Felicia, Isaac und Wakome in die Turnhalle zu gehen. Felicia hat
großen Spaß an dem Cross Trainer, der in der Turnhalle steht und da sie auch
nicht so gut laufen kann und jede Bewegung ihr gut tut, lasse ich sie ein
bisschen Sport treiben. Genauso wie Wakome, der ziemlich übergewichtig und sehr
lauffaul ist, die Sportgeräte aber toll findet. Mit Isaac versuche ich seinen
englischen Wortschatz zu erweitern, bzw. einen Wortschatz der für ihn
wichtigsten Vokabeln aufzubauen. Außerdem bringe ich ihm bei seinen Namen zu
schreiben, denn den würde er gerne öfter irgendwohin schreiben, schafft es aber
nicht richtig. Das sind im Grunde meine Aufgaben hier während des Jahres.
Die Erziehung mit dem Stock:
Sehr fortschrittlich an dieser Schule ist, dass den Lehrern
von Anfang an gesagt wird, dass so wenig wie möglich geschlagen werden soll.
Jeder Lehrer hat zwar einen Stock, aber der soll hauptsächlich nur zum drohen
eingesetzt werden. Damit die Kinder allerdings Angst vor dem Stock und den
Drohungen haben, müssen sie erst einmal an die Schmerzen, die der Stock
verursacht, gewöhnt werden. Deshalb wird in den unteren Klassen recht viel
geschlagen, besonders die Schüler die neu sind, bekommen sehr oft den Stock zu
spüren, denn sie wissen ja noch nicht was erlaubt ist und was nicht. Das klingt
manchmal sehr übel, wenn man den Knall und das Geschrei hört. In den höheren
Klassen, wird damit meist nur gedroht, wenn jemand Mist macht, manchmal wird
dann auch zugehauen. Was sehr fortschrittlich ist, ist dass der Stock nie als
Bestrafung eingesetzt wird, wenn ein Schüler einen Fehler im Unterricht macht.
Es kommt vor, dass die Kinder ausgelacht werden, wenn sie einen Fehler machen,
aber sie werden nie geschlagen.
Ich bin in diesem Punkt sehr froh an der Schule in Kumasi zu
arbeiten, denn was wir so für Geschichten aus Winneba hören….schrecklich.
Generell wird hier etwas anders mit Demütigung umgegangen
als in Deutschland. Ich werde eine Situation schildern, die vor zwei Wochen
passiert ist. Tina und ich kamen aus dem Essensraum und sahen einen Kreis von
Hausmüttern, Köchinnen und auch Lehrern. In der Mitte stand Wakome, der sehr
übergewichtige Schüler. Eine Köchin hat auf ihn eingeredet und an seinen
Brustansätzen gewackelt und gezogen und schrecklich gelacht. Alle anderen
Erwachsenen, die in dem Kreis standen fanden diese Szene auch unglaublich
komisch. Tina und ich waren total schockiert. Wakome hat sich sichtlich unwohl
gefühlt in der Situation, was man an seiner Körpersprache und Mimik erkennen
konnte. Da er nicht spricht konnte er sich weder mit Worten verteidigen, noch konnte er aus
dem Kreis fliehen. Tina und mir muss unsere Empörung vom Gesicht abzulesen
gewesen sein, denn sobald der eine Lehrer unsere Gesichter gesehen hat, hörte
er auf zu lachen und befreite den armen Jungen aus der Situation, indem er ihn mitnahm.
Wir haben uns anschließend mit Wakome hingesetzt, haben versucht ihn etwas
aufzumuntern und haben die anderen Kinder verscheucht, die weiter an ihm herumzerren
wollten, denn sie hatten ja eben gesehen, wie lustig das ist ihn so zu
demütigen. Eine schreckliche Situation war das und ich hoffe so etwas kommt so
schnell nicht wieder vor. Die Schüler werden hier öfter ausgelacht, geschubst
oder als Handlanger für die kleinsten Arbeiten, wie den Müll des Lehrers in den
Eimer zu schmeißen, benutzt, aber in diesem Ausmaße hoffe ich die Demütigung
eines Schülers nicht wieder zu erleben.
Der Fernseher:
Wie bereits gesagt, wird mittwochs und freitags ferngesehen.
Die Sendung bestimmt eine Clique von Lehrerinnen, die zur eigenen Unterhaltung
DVDs mitbringen. Diese Filme oder Serien sind meist sehr brutal und voll von
Sexszenen, die verdammt detailliert sind. Die Kinder jubeln, wenn jemand
erschossen oder erstochen wird und kreischen, wenn die Darsteller sich
ausziehen. Tina und ich haben beschlossen, Kinderserien und Disneyfilme
anzuschaffen, damit die Schüler mal etwas Kindgerechtes gucken.
Wie es um die Schule steht:
Vor ein paar Wochen war nicht genau klar, ob die Schule
weiterhin geöffnet bleibt oder vorübergehend geschlossen wird. Es fehlte an
Geld von der Regierung. Zu Beginn des Schuljahres hat die Schule einen
bestimmten Betrag bekommen, den sie für die tägliche Nahrung der
Internatsschüler zur Verfügung hatte. Das Essen beschränkte sich also auf
günstige Nahrungsmittel, es gab jeden Tag dasselbe Gericht und nie Fleisch oder
Fisch.
Da dieser Betrag langsam dem Ende zuging, aber die Regierung
kein neues Geld zur Verfügung stellen wollte oder konnte, fuhr die Schulleitung
zu unzähligen Meetings, um die Regierung, einzelne Parteien und potentielle
Spender zu überzeugen, dass das Geld dringend benötigt wird. Sie hatten Erfolg!
Ein Glück, denn wären sie erfolglos zurückgekehrt, wäre die Schule in der
folgenden Woche geschlossen worden. Und obwohl nun zumindest erst einmal genug
Geld da ist, um die Schüler zu ernähren, steht es nicht so gut um die Schule.
Einige der neuen Lehrer und die Klassenassistenten haben seit 2 ½ Jahren kein
Gehalt mehr bekommen. Sie arbeiten trotzdem weiter, denn wenn sie kündigen
würden, bekämen sie den noch ausstehenden Gehalt nicht bezahlt. Zumindest habe
ich das so verstanden.
Von nun an werden öfter Berichte von der Arbeit mit einzelnen
Schülern folgen. Und ich hoffe bald ein paar Fotos aus der Schule hoch laden zu
können. Ich möchte nur vorher die Schulleitung fragen und die Fotos absegnen
lassen.